Mitte September 2022 gab es verschiedene Berichte in bundesweiten Medien zur angeblichen Nutzung von sogenannten Fake-Accounts in
vorwiegend von vermeintlichen Rechtsextremisten genutzten Chatgruppen durch deutsche Verfassungsschutzbehörden. Dabei würden sich „digitalaffine“ Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden Zugang zu diesen Chat-Gruppen „bei Telegram, Instagram und Co.“ verschaffen, „um Rechtsradikalen vorzugaukeln, dass sie „dazugehören“, „mit[zu]schwimmen“ und „auch selbst ein bisschen rechtsradikal spielen“. Das sei „die Zukunft in der Informationsbeschaffung“, so ein Leiter eines Landesamts für Verfassungsschutz gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Wir fragen die Landesregierung:

1. In welcher Form werden alle Beiträge und Äußerungen der vom Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales genutzten Fake-Accounts archiviert und wie findet die lückenlos nachvollziehbare Speicherung aller Aktivitäten derartiger Fake-Accounts statt?
2. In welchen einzelnen bundesweiten Gremien stimmt sich das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales in welcher Form und wie oft mit anderen Behörden bezüglich der Nutzung von Fake-Accounts in sozialen Netzwerken und Chatgruppen ab?
3. Welche einzelnen Softwareprodukte nutzt die entsprechende Abteilung im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales, um die Accounts zu verwalten und zu bedienen sowie um eine bundesweite Abstimmung der einzelnen Accounts zu gewährleisten?
4. Welche einzelnen Statistiken führt das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales zur Erfassung von Hasspostings oder angeblichen Hasspostings im Internet (Gliederung nach Behörde, Bezeichnung der Statistik und inkludierter Phänomenbereiche der Politisch motivierten Kriminalität)?
5. Werden die von Fake-Accounts des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales veröffentlichten Beiträge und Äußerungen im Rahmen der Hasskriminalität im Internet als Fälle in den jeweiligen Berichten über Politisch motivierte Kriminalität erfasst oder herausgerechnet oder den jeweiligen Phänomenbereichen zugeordnet?
Wie wird die jeweilige Verfahrensweise seitens der Landesregierung begründet?
6. Wie verhindert die Landesregierung, dass Statistiken mit Hilfe dieser Fake-Accounts verzerrt werden, wenn es um die Erfassung von extremistischen Strömungen im Netz geht und wie lässt sich mit Sicherheit ausschließen, dass Hasspostings und verfassungsschutzrelevante Postings dieser Fake-Accounts nicht den im jährlichen Verfassungsschutzbericht genannten Organisationen zugerechnet werden?
7. In welcher konkreten Form und mit welchem konkreten Ziel bestärkt die Landesregierung andere Menschen durch die Nutzung von FakeAccounts in sozialen Netzwerken und Chatgruppen in deren Weltbild oder gar bei der Begehung von Straftaten? Falls eine solche Beeinflussung nach Deutung der Landesregierung nicht vorliegt, wie wird diese Position im Detail begründet?
8. In welchem Umfang und mit welcher rechtlichen Stellung steht die Nutzung von Fake-Accounts in sozialen Netzwerken und Chatgruppen dem Einsatz verdeckter Ermittler, sogenannter V-Personen oder nicht öffentlich ermittelnder Polizeibeamter gleich? Wie begründet die
Landesregierung diese Position im Detail?
9. Sieht die Landesregierung in der Nutzung von Fake-Accounts in sozialen Netzwerken und Chatgruppen, wie dies auch in Medienberichten beschrieben steht, „die Zukunft der Informationsbeschaffung“?
Wie wird eine zustimmende oder ablehnende Beurteilung der Landesregierung diesbezüglich begründet?
10.Wird oder wurde seit dem Jahr 2017 über diese Fake-Accounts mit Politikern (Landespolitikern oder Kandidaten) von im Thüringer Landtag oder im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien kommuniziert (jährliche Gliederung nach Partei und Anzahl der Kontakte)?
11.Wie viele Fake-Accounts wurden unter Herausrechnung von Mehrfachnennungen für diese jeweiligen Kontaktaufnahmen (siehe Frage 10) verwendet (Gliederung nach Anzahl und Partei)?
12.Wurden Postings von Parteien beziehungsweise deren Politikern, die im Thüringer Landtag oder im Deutschen Bundestag vertreten sind,
in sozialen Netzwerken über diese Fake-Accounts kommentiert (entweder direkt unter deren Postings oder mittelbar)? Wenn ja, wie oft und welche Parteien waren betroffen?

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