Mitte September 2022 gab es verschiedene Berichte in bundesweiten Medien zur angeblichen Nutzung von sogenannten Fake-Accounts in vorwiegend von vermeintlichen Rechtsextremisten genutzten Chatgruppen durch deutsche Verfassungsschutzbehörden. Dabei würden sich „digitalaffine“ Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden Zugang zu diesen Chat-Gruppen „bei Telegram, Instagram und Co.“ verschaffen, „um Rechtsradikalen vorzugaukeln, dass sie „dazugehören“, „mit[zu]schwimmen“ und „auch selbst ein bisschen rechtsradikal spielen“. Das sei „die Zukunft in der Informationsbeschaffung“, so ein Leiter eines Landesamts für Verfassungsschutz gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Wir fragen die Landesregierung:

1. Wurden im Auftrag der Landesregierung oder einer nachgeordneten Behörde seit dem Jahr 2017 durch Postings mittels Fake-Accounts in sozialen Netzwerken und Chatgruppen Tatbestände von Straftaten erfüllt und wenn ja, wie oft (jährliche Gliederung nach Behörde sowie Anzahl und Deliktsbezeichnung der einzelnen Straftatbestände)? Wie viele Delikte hiervon waren sogenannte Propagandadelikte im Sinne der Paragrafen 86a und 130 Strafgesetzbuch?
2. Wie oft hat die Landesregierung oder eine nachgeordnete Behörde seit dem Jahr 2017 durch Postings mittels Fake-Accounts in sozialen Netzwerken und Chatgruppen Straftaten durch andere Personen vorbereitet, befördert oder unterstützt (jährliche Gliederung nach Deliktsbezeichnung sowie Anzahl der einzelnen Straftaten)?
3. In welchem Umfang können sich die mit der Führung und Verwaltung dieser Fake-Accounts beauftragten Personen auf Rechtfertigungsgründe aus dem Strafrecht berufen, wenn für das „erfolgreiche Betreiben“ der Accounts in sozialen Netzwerken und Chatgruppen strafrechtlich relevante Handlungen begangen werden? Welche einzelnen Rechtfertigungsgründe kommen in diesem Zusammenhang in Frage?
4. Hat die Landesregierung oder eine nachgeordnete Behörde seit dem Jahr 2017 durch Postings mittels Fake-Accounts in sozialen Netzwerken und Chatgruppen inhaltlich eine Handlung begangen, die eine „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ darstellt und wenn ja, wie oft (jährliche Gliederung und jeweils einzelne Sachverhaltsdarstellung)?

5. Haben Staatsanwaltschaften in Thüringen und wenn ja, wie oft in den Jahren 2015 bis 2022 gemäß § 9a Abs. 3 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) von der Verfolgung im Einsatz begangener Straftaten abgesehen, wenn die zugrunde liegenden Straftaten von Mitarbeitern des Bundesamts für Verfassungsschutz begangen wurden (jährliche Gliederung nach Deliktsbezeichnung)?
6. Haben die Staatsanwaltschaften in Thüringen und wenn ja, wie oft in den Jahren 2015 bis 2022 gemäß § 9a Abs. 3 BVerfSchG eine bereits erhobene Anklage zurückgenommen und das Verfahren eingestellt, wenn die zugrunde liegenden Straftaten von Mitarbeitern des Bundesamts für Verfassungsschutz begangen wurden (jährliche Gliederung nach Deliktsbezeichnung)?
7. Welcher Anfangsverdacht zu Straftaten, die in den Jahren 2015 bis 2022 durch Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz begangen wurden, lag den Beschlüssen von Thüringer Staatsanwaltschaften über ein Absehen von Strafe oder eine Einstellung von Ermittlungsverfahren im Sinne der beiden vorherigen Fragen zugrunde (jährliche Gliederung nach Deliktsbezeichnung)?
8. Hat das Einholen von Auskünften bei Anbietern von geschäftsmäßigen Telediensten im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Thüringer Verfassungsschutzgesetz (ThürVerfSchG) und wenn ja, wie oft seit dem Jahr 2015 zu dem Ergebnis geführt, dass durch Mitarbeiter der Abteilung des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales (des Amts für Verfassungsschutz Thüringen) oder des Bundesamts für Verfassungsschutz Bestrebungen unternommen wurden, die aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind oder bezwecken, a) zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Hs. 2 Buchst. a ThürVerfSchG) oder b) Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, auch durch Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Hs. 2 Buchst. b ThürVerfSchG)?

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