Eine Reihe von Maßnahmen der SED und der DDR-Regierung hatte seit 1952 zum Anwachsen einer breiten Unzufriedenheit in der Bevölkerung geführt, die im Juni 1953 schließlich zu Protesten, Streiks und zum DDR-weiten Volksaufstand am 17. Juni führten.
Einen Auslöser der Entwicklung etwa bildete die zweite Parteikonferenz der SED im Juli 1952, wo unter anderem die Kollektivierung der Landwirtschaft, der Auf- und Ausbau der Schwerindustrie oder die „Verschärfung des Klassenkampfes“ beschlossen wurde.
In Thüringen hatte besonders die Abriegelung der innerdeutschen Grenze und der Aufbau eines menschenverachtenden Grenzregimes durch die DDR-Führung seit dem Mai 1952 großen Unmut in der Bevölkerung hervorgerufen. Im November desselben Jahres betonte das Zentralkomitee der SED den Vorrang der Schwerindustrie gegenüber anderen Wirtschaftszweigen, auch gegenüber der Konsumgüterindustrie.
Wenige Monate später verfügte der DDR-Ministerrat eine Preiserhöhung bei Lebensmitteln und kurz darauf eine drastische Erhöhung der Arbeitsnormen.
Solche und andere Maßnahmen wurden vor dem Hintergrund einer Versorgungskrise gerade bei Lebensmitteln getroffen. So kam es seit dem Spätherbst 1952 auf Baustellen und in Industriebetrieben wiederholt zu Auseinandersetzungen und Arbeitsniederlegungen. Zugleich verließen 1952 über 180.000 Menschen die DDR, etwa die gleiche Zahl kehrte dem SED-Staat von Januar bis Mai 1953 den Rücken. Auch ein vorsichtiges Umlenken der SED und der DDR-Führung in der ersten Juni-Hälfte 1953 („Politik des Neuen Kurses“) konnte den wachsenden Unmut der Menschen nicht besänftigen, die der Führung zu Recht nicht vertrauten, zumal die Erhöhung der Arbeitsnormen bestehen blieb. So kam es namentlich in Berlin am 16. Juni zu Arbeitsniederlegungen und Forderungen nach dem Rücktritt der Regierung. Rasch weiteten sich die Protestkundgebungen auf das ganze Land aus.
Proteste ereigneten sich in unterschiedlichen Formen auch an zahlreichen Orten Thüringens wie Jena, Gera, Weida, Kahla, Mühlhausen, Bad Tennstedt, Sömmerda, Eisenberg/Silbitz, Camburg, Schmölln oder Weimar. Während in Gotha schon am 12. und 16. Juni gestreikt wurde, nahm die Protestbewegung in Erfurt erst am 18. Juni Fahrt auf, als bereits sowjetische und deutsche Truppen die Werksgelände abriegelten.
Beteiligt an den Protesten waren neben Arbeitern auch Bauern, Handwerker, Schüler, Gewerkschafter, Pfarrer oder selbst Polizisten, mithin alle Schichten der Bevölkerung.
Nach der Niederschlagung des Aufstands wurden auch in Thüringen viele Akteure inhaftiert oder sahen sich anderen Repressionen des Regimes ausgesetzt.
So bestätigte das SED-Regime gerade im Umgang mit Opposition, mit dem öffentlichen Protest, den Meinungsäußerungen und Demonstrationen der Bürger und deren politischen Forderungen seinen freiheitsfeindlichen und antidemokratischen Charakter, gegen den die Menschen sich erhoben hatten.
Angesichts der Tatsache, dass Protest und Opposition gegen Regierungsmaßnahmen auch heute wieder als „Delegitimierung des Staates“ diffamiert werden, ist es wichtig, öffentlich an die Ereignisse um den 17. Juni 1953 und ihre Opfer zu erinnern. Hierzu reichen Formate der Auseinandersetzung mit den historischen Vorgängen, wie sie von der Landesregierung geplant sein sollen – etwa ein Live-Blog oder Online-Projekte auf Messenger-Plattformen – nicht aus, sofern sie unterhalb der Schwelle einer breiten und sichtbaren Öffentlichkeit bleiben, mögen sie im Übrigen auch sinnvoll sein. Eine angemessene und würdige Form des Gedenkens stellen öffentliche Veranstaltungen dar, bei denen auch Zeitzeugen und Opfer zu Wort kommen können und die zudem dezentral an mehreren Orten des historischen Geschehens durchgeführt werden können und sollen. Der symbolträchtige 70. Jahrestag des Aufstands vom 17. Juni 1953 soll
auch zum Anlass genommen werden, die Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur und die Aufarbeitung der DDR-Geschichte in der Schule
in den Fokus zu rücken. Not tut eine bessere Aufklärung über die Machtverhältnisse in Deutschland und Europa nach dem Zweiten Weltkrieg,
die Herrschaftsstruktur der DDR, über die geistigen Grundlagen des Sozialismus, über Legenden, Erfindungen und Vorurteile, die über die DDR
kursieren. Die DDR-Geschichte nimmt bisher nicht den Rang im Schulunterricht ein, der ihr zum Verständnis auch unserer Gegenwart gebührte, wie auch von der Zeitgeschichtsforschung konstatiert wird. Exemplarisch sei eine Stimme aus der Wissenschaft zitiert, die am 13. August 2014 im Deutschlandfunk zu vernehmen war: „Das wird in der Schule offenbar nicht vermittelt oder nicht hinreichend vermittelt. Die Zeitgeschichte ist ein Stiefkind des Geschichtsunterrichts, die […] steht immer am Ende, dann ist oft das Schuljahr zu Ende, Stunden sind ausgefallen, im Osten mögen die Lehrer, die älteren jedenfalls, sich mit diesem Thema auch immer noch nicht beschäftigen. Und dann rutscht das eben durch.“
Der Freistaat ist in der Pflicht, zum würdigen öffentlichen Gedenken an die Geschichte des 17. Juni 1953 beizutragen.

Vorgangsnummer im Thüringer Landtag

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