Im „Verfassungsschutzbericht 2021“ einer dem Thüringer Minister für Inneres und Kommunales direkt unterstellten Abteilung ist auf Seite 26
unter der Zwischenüberschrift „Angriffe auf das Rechtsstaatsprinzip“ mit Bezug auf die Berufung eines Verfassungsrichters, der zuvor Bundestagsabgeordneter war, zu lesen: „Der AfD-Landessprecher lastet dem einzelnen Richter an, seine Pflichten – hier jene zur politischen Mäßigung – zu verletzen. Zugleich spricht er den unabhängigen Gerichten ihre Kontrollfunktion und somit der Bundesrepublik ein System demokratischer Gewaltenteilung ab. Das bediente Opfer-Narrativ ist hier keine bloße Klage über eine vermeintliche Benachteiligung wegen starker öffentlicher Kritik an der AfD. Im Falle einer extremistischen Partei ist es ein scharfes Schwert im Kampf gegen demokratische Verfahren und Institutionen.“ Dieses Zitat ist Ergebnis zweier Absätze unter der Zwischenüberschrift und im Gesamtkontext zu interpretieren.
Ich frage die Landesregierung:
1. Ist öffentliche Kritik an einer politisch beeinflussten Auswahl von Verfassungsrichtern nach Ansicht der Landesregierung grundsätzlich zulässig und fällt unter das Recht der freien Meinungsäußerung und unter welchen Voraussetzungen (Einzelnennung) ist diese nicht zulässig, keine freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Grundgesetz oder gar verfassungsfeindlich?
2. Mit welcher konkreten Begründung bewertet die dem Thüringer Minister für Inneres und Kommunales direkt unterstellte Abteilung „Amt
für Verfassungsschutz“ die Kritik an einer politisch beeinflussten Auswahl bei dem von ihr selbst als extremistisch eingestuften AfD-Landesverband als verfassungsfeindlich und nicht als freie Meinungsäußerung des AfD-Landessprechers?
3. Legt die in Rede stehende Abteilung mit der Zuschreibung als extremistische Bestrebung selbst fest, wer öffentlich Kritik an einer politisch beeinflussten Auswahl von Verfassungsrichtern üben darf und wer dies nicht darf und wie begründet die Landesregierung diese Position?
4. Welche weiteren Bewertungen von öffentlicher Kritik an einer politisch beeinflussten Auswahl von Verfassungsrichtern kennen die
genannte Abteilung oder die Landesregierung (Darlegung aller geprüften Einzelbewertungen und jeweilige Begründung, weshalb diese eine zulässige und nicht verfassungsfeindliche Kritik darstellen)?

5. Unterstellt die in Rede stehende Abteilung dem oppositionellen AfDLandesverband eine verfassungsfeindliche Einstellung, weil der AfDLandessprecher diesem Landesverband angehört und die Kritik an einer politisch beeinflussten Auswahl von Verfassungsrichtern deshalb einen verfassungsfeindlichen Aussagegehalt aufweist?
6. Vermehrt die in Rede stehende Abteilung oder die Landesregierung die Anhaltspunkte für angebliche extremistische Bestrebungen beliebig, wenn die Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen auch Zitate oder Interpretationen sein können, die in jedem anderen Fall keine verfassungsfeindliche Bestrebung darstellen, und wie begründet die Landesregierung ihre Position?

Vorgangsnummer im Thüringer Landtag

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