Laut Medienberichten in der „Ostthüringer Zeitung“ am 29. Juni 2023 und in der Zeitschrift „Sezession“ am 29. Juni 2023 musste eine für Mittwoch, den 28. Juni 2023, geplante Vortragsveranstaltung mit einem bekannten Autor und Publizisten bei einer Jenaer Burschenschaft wegen der Bedrohung durch Anhänger der linken Szene abgesagt werden. Aufgrund einer Unterbesetzung habe die Polizei Jena nicht für die Sicherheit und den freien Zugang des Referenten, der Veranstalter und der Gäste zum beziehungsweise am Veranstaltungsort sorgen können. Aus den in den Medienberichten geschilderten Ereignissen ergeben sich Fragen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung beziehungsweise die Thüringer Polizei über das Geschehen im Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt (möglichst detaillierte Beschreibung des Verlaufs der Ereignisse)?
2. Seit wann hatte und wie erlangte die Thüringer Polizei Kenntnis davon, dass die Vortragsveranstaltung von Anhängern der linken Szene bedroht werden könnte beziehungsweise bedroht werde?
3. Welche einzelnen konkreten Maßnahmen ergriff die Polizei Jena, um die Sicherheit des Referenten, der Veranstalter und Gäste sowie den freien Zugang zum Veranstaltungsort der geplanten Vortragsveranstaltung zu garantieren und wie bewertet sie die Wirksamkeit dieser Maßnahmen?
4. Wie kam die Polizei Jena zu der zwischenzeitlichen Einschätzung, dass die Situation vor Ort „geklärt“ sei und der Referent den Veranstaltungsort alsdann unbehelligt besuchen könne, obwohl in Wahrheit die Anhänger der linken Szene nach wie vor den Zugang blockierten und die Bedrohungslage gegenwärtig blieb?
5. Wie bewerten die Landesregierung und die Thüringer Polizei das Gefahrenpotenzial, welches sich für den Referenten der geplanten Vortragsveranstaltung daraus ergab, dass ihm die in Frage 4 geschilderte Fehleinschätzung der Polizei Jena telefonisch mitgeteilt worden ist, dieser also „in die Falle gelaufen“ wäre, wenn er dem Rat der Polizei gefolgt und zum Veranstaltungsort zurückgekehrt wäre?

6. Welche Konsequenzen ziehen die Landesregierung und die Thüringer Polizei aus der in den Fragen 4 und 5 beschriebenen Fehleinschätzung und der damit verbundenen aktiven Gefährdung eines Zivilisten durch die Polizei Jena und wie will die Thüringer Polizei solche und ähnliche Fehleinschätzungen in Zukunft vermeiden?
7. Warum erfolgte die Kommunikation der Polizei Jena mit dem Referenten der geplanten Vortragsveranstaltung über eine Festnetznummer mit Erfurter Vorwahl? Welche Dienststelle und welcher Dienstposteninhaber hat die Gespräche im Auftrag der Polizei Jena geführt?
8. Warum war die Polizei Jena, notfalls auch unter Zuhilfenahme von Einheiten anderer Dienststellen der Thüringer Polizei, nicht in der Lage, Präsenz vor Ort zu zeigen und für die Sicherheit des Referenten, der Veranstalter und der Gäste sowie für freien Zugang zu der geplanten Vortragsveranstaltung zu sorgen?
9. War die Versammlung der Anhänger der linken Szene vor dem Haus der Burschenschaft angemeldet und genehmigt, wenn ja, welche Auflagen gab es, wann und durch wen wurde deren Einhaltung geprüft, wenn keine Anmeldung vorlag, konnte ein Versammlungsleiter ermittelt werden und wenn nein, warum nicht?
10.Warum wurde die Versammlung der Anhänger der linken Szene erst gegen 22 Uhr und nicht bereits eher aufgelöst, obwohl von den Teilnehmern eine Bedrohungslage für den Referenten, die Veranstalter und Gäste der geplanten Vortragsveranstaltung und der Hausbewohner ausging?
11.Welche Anzahl von Teilnehmern an der Versammlung der linken Szene wurden erfasst und wie setzte sich die Gruppe zusammen (sogenannte Anhängerpotenziale)?
12.Konnte die Thüringer Polizei im Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt Straftaten feststellen, wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet und/oder erkennungsdienstliche Maßnahmen vorgenommen, wenn ja, welche und wenn nein, warum nicht (Gliederung nach Deliktsbezeichnung und Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität)?
13.Gibt es Leitlinien für die Thüringer Polizei, was die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betrifft und inwiefern sind diese in der Kommunikation mit der Presse im vorliegenden Fall eingehalten worden, insbesondere im Hinblick auf die Aussage eines Polizeioberkommissars gegenüber der Ostthüringer Zeitung, dass der Grund der Veranstaltungsabsage derjenige gewesen sei, dass der Referent „wohl Angst bekommen“ habe, anstatt wahrheitsgemäß die Bedrohungslage durch linke Gruppen am Veranstaltungsort als Grund für die Absage zu nennen?

Vorgangsnummer im Thüringer Landtag

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