Artikel 1
zu 1. und 3.:
Um die Möglichkeit direkter Partizipation des Souveräns am demokratischen Prozess zu verbessern, muss sich die Mitwirkungsmöglichkeit qua Volksbegehren und Volksentscheid auch auf die mögliche vorzeitige Abberufung des Landtags durch die Bürger erstrecken. Den Bürgern
wird so spiegelbildlich zum Recht der Wahl des Landtages auch das Recht der Abberufung gegeben. Thüringen würde so denjenigen Bundesländern folgen, die die entsprechende Möglichkeit in ihren Verfassungen vorsehen.
zu 2.:
Eine deutliche Absenkung des Quorums bei Bürgeranträgen bedeutet die Senkung einer Hürde für die direktdemokratische Partizipation der Bürger und ermutigt so zur Bürgerbeteiligung, anstatt diese zu entmutigen.

zu 4.:

Der Finanzvorbehalt in Artikel 82 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen wird eingeschränkt. Der vorliegende Gesetzentwurf folgt der Auffassung, dass das Tatbestandsmerkmal „zum Landeshaushalt“ dergestalt auszulegen ist, dass Volksbegehren nur hinsichtlich des sich im laufenden Haushaltsvollzug befindlichen jeweiligen Landeshaushalts ausgeschlossen sind, Nur für den laufenden Haushalt hat das Parlament als Haushaltsgesetzgeber sein Budgetrecht
konkret ausgeübt, so dass seine Entscheidung als Haushaltsgesetzgeber mit einem Finanzvorbehalt garantiert werden sollte, Zudem gebieten die Anforderungen der Rechts- und Planungssicherheit, dass in einen bereits beschlossenen Haushalt nicht eingegriffen wird. Finanzielle
Auswirkungen von durch Volksentscheid beschlossenen Gesetzen auf zukünftige Landeshaushalte, die mit rechtlich zulässigen Mitteln noch ausgeglichen werden können, sind hingegen nicht ausgeschlossen. Zur Gewährleistung einer soliden Haushaltsführung wird für finanzwirksame Volksbegehren indes die Beifügung eines Vorschlags zur Kostendeckung gefordert. An diesen dürfen jedoch im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz keine höheren Anforderungen gestellt werden, als sie auch vom parlamentarischen Gesetzgeber verlangt sind,
zu 5,:
Eine Halbierung des erforderlichen Quorums bei dem Antrag auf Zulassung von Volksbegehren senkt die Hürde für die direktdemokratische Partizipation der Bürger.
zu 6,:
Durch Wegfall des bisher normierten Festlegungszwangs und der daraus folgenden Beschränkung der Initiatoren eines Volksbegehrens auf entweder die Sammlung durch amtlich ausgelegte Unterschriftenbögen oder die sogenannte freie Sammlung können durch die Gesetzesänderung künftig beide Arten der Sammlung nebeneinander genutzt werden. Beide Formen zusammen werden hier als „Sammlung“ definiert. Damit einhergehend wird die Sammlungsfrist
vereinheitlicht und auf sechs Monate angehoben. Ebenso wird das Quorum vereinheitlicht und auf drei vom Hundert abgesenkt. Die Änderungen dienen der Vereinfachung der direktdemokratischen Partizipation.
zu 7,:
Bis es zum Volksentscheid kommt, sind bereits verschiedene Hürden zu nehmen. Ein weiteres Quorum beim eigentlichen Volksentscheid als Hürde für eine rechtswirksame Entscheidung ist vor diesem Hintergrund nicht geeignet, demokratische Mitwirkung zu befördern. Nachdem ein Volksentscheid initiiert und als zulässig zugelassen wurde, ist es daher angemessen, die Mehrheit der abstimmenden Bürger entscheiden zu lassen.
zu 8,:
Die Verfassung ist die politische und rechtliche Grundordnung des Freistaats Thüringen. Als solche regelt sie das öffentliche Zusammenleben der Bürger und bringt deren politisches Selbstverständnis zum Ausdruck. Mit der Neuregelung des Artikel 83 Abs. 2 ThürVerf wird das obligatorische Referendum bei Verfassungsänderungen eingeführt, womit die Partizipation der Thüringer Bürger an allen Verfassungsänderungen und so die Mitentscheidung bei allen Änderungen der Grundordnung ihres Gemeinwesens sichergestellt wird. Die Einführung des obligatorischen Verfassungsreferendums ist auch eine Reaktion auf jüngere Tendenzen in der Verfassungspolitik, die Verfassung zum Spielball von ideologischen Interessen zu machen.

Artikel 2
Geregelt werden (unter 1.) das Inkrafttreten und (unter 2.) eine Übergangsbestimmung betreffend solche Verfahren der direkten Demokratie, die zum Zeitpunkt des lnkrafttretens bereits begonnen wurden.

Vorgangsnummer im Thüringer Landtag

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