Die Bestimmung des § 35 Abs. 2 Satz 1 der Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) regelt die Form und den Inhalt von Einladungen zu Sitzungen von kommunalen Entscheidungsgremien in Thüringen. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 ThürKO muss die Geschäftsordnung von Gemeindeund Stadträten sowie Kreistagen in Thüringen mindestens Bestimmungen über die Frist und Form der Einladung zu den Sitzungen enthalten.
Die Geschäftsordnung des Gemeinderats der Gemeinde Schwerstedt im Landkreis Sömmerda regelt in ihrem § 1 Abs. 2 Satz 4, dass der Einberufung zur Gemeinderatssitzung den Mitgliedern des Gemeinderats die für die Beratung erforderlichen Unterlagen beigefügt werden sollen, sofern nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen. In mehreren Sitzungen des Gemeinderats der Gemeinde Schwerstedt wurde die von der Verwaltungsgemeinschaft Bad Tennstedt im Unstrut-Hainich-Kreis forcierte Errichtung eines Radwegs auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke behandelt. Bei der Beschlussfassung hierzu ist der Radweg von den Gemeinderatsmitgliedern mehrheitlich abgelehnt worden, da ihnen zur rechtzeitigen Vorbereitung der
Beschlussfassung ein Zugang zu den Beratungsunterlagen vom Bürgermeister verwehrt wurde. Nach Auskunft der zuständigen Verwaltungsgemeinschaft Straußfurt, die nach § 47 Abs. 2 Satz 3 ThürKO für die verwaltungsmäßige Vorbereitung der Beschlüsse ihrer Mitgliedsgemeinde Schwerstedt zuständig ist, verfügt auch diese über keinerlei Dokumente über eine Radwegevereinbarung oder Dokumente hierzu, da die Verwaltungsgemeinschaft Bad Tennstedt eine Bereitstellung dieser Unterlagen verweigern soll. Der mangels Prüfung von Beratungsunterlagen vom Gemeinderat der Gemeinde Schwerstedt gefasste Beschluss zur Ablehnung des Radwegs wurde zwischenzeitlich vom Bürgermeister nach § 44 ThürKO beanstandet. Trotz Hinweises von Gemeinderatsmitgliedern auf den Sachverhalt ist das Landratsamt Sömmerda als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde über die Gemeinde Schwerstedt nicht
tätig geworden.
Das Ministerium für Inneres und Kommunales ist nach § 118 Abs. 3 ThürKO oberste Rechtsaufsichtsbehörde der kommunalen Gebiets- und Personenkörperschaften in Thüringen.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Besteht nach Auffassung der Landesregierung für Bürgermeister und Landräte in Thüringen Bindungswirkung an die Geschäftsordnung ihrer Gemeinde- und Stadträte oder Kreistage?
2. Sofern Geschäftsordnungen kommunaler Gebiets- und Personenkörperschaften regeln, dass Mitgliedern ihrer Entscheidungsgremien die für die Beratung von Tagesordnungspunkten erforderlichen Unterlagen der Einladung zur Sitzung beigefügt werden sollen, in welchen Fällen hält die Landesregierung das für nicht erforderlich?
3. Ist ein mündlicher Vortrag eines Bürgermeisters oder Landrats in der betreffenden Sitzung bei planerischen Entscheidungen mit hohen finanziellen Folgen, die für die Mitglieder des Entscheidungsgremiums in der Kürze der Zeit nicht erfassbar sind, nach Auffassung der Landesregierung ausreichend und wenn ja, warum?
4. Falls Frage 3 mit Ja beantwortet wird, wie kann nach Auffassung der Landesregierung dann eine rechtzeitige und vertiefte Vorbereitung der Entscheidung von Mitgliedern des Entscheidungsgremiums erfolgen?
5. Hat nach Auffassung der Landesregierung ein Bürgermeister oder Landrat in Thüringen dem Verlangen von Gemeinderats-, Stadtrats- oder Kreistagsmitgliedern auf rechtzeitige Bereitstellung von Beschlussunterlagen von in öffentlicher Sitzung zu fassenden Beschlüssen nachzukommen und falls diese Frage mit Nein beantwortet wird, warum nicht?
6. Welche Rechtsgründe bestehen aus Sicht der Landeregierung für Bürgermeister und Landräte in Thüringen, Gemeinderats-, Stadtrats oder Kreistagsbeschlüsse, die mangels hierzu erforderlicher Beratungsunterlagen von den Entscheidungsgremien abgelehnt wurden, einem Beanstandungsverfahren nach § 44 ThürKO zu unterwerfen?