Die verpflichtende europaweite Ausschreibung öffentlicher Aufträge stellt seit Jahren ein strukturelles Problem dar – insbesondere für Kommunen, die Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen kurzfristig, verlässlich und im Rahmen gewachsener regionaler Partnerschaften vergeben wollen. Zahlreiche Vorhaben, die früher unbürokratisch an ortsansässige Unternehmen vergeben werden konnten, unterliegen heute einem formalisierten Vergabeverfahren mit erheblichem bürokratischem Aufwand. Dies führt regelmäßig dazu, dass lokale Handwerks- und Mittelstandsbetriebe leer ausgehen oder sich aufgrund der Verfahrenskomplexität gar nicht erst beteiligen. Die derzeit geltenden EU-Vergaberichtlinien verpflichten öffentliche Auftraggeber ab bestimmten Schwellenwerten zur europaweiten Ausschreibung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen. Diese Schwellenwerte werden regelmäßig von der Europäischen Kommission angepasst und gelten verbindlich auch für Länder und Kommunen. Seit dem Jahr 2024 liegt die Ausschreibungspflicht für Bauaufträge ab 5.538.000 Euro, für Liefer- und Dienstleistungsaufträge ab 221.000 Euro (beziehungsweise 143.000 Euro bei Bundesbehörden). Bereits bei moderaten Auftragsvolumina greift somit die Pflicht zur europaweiten Veröffentlichung. Rechtsgrundlage ist die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/ EG. Zwar bestehen gewisse Ausnahmen bei kleinen Auftragsvolumina oder für bestimmte soziale Dienstleistungen. In der Praxis sind diese Spielräume jedoch eng begrenzt und ungeeignet, um die strukturellen Benachteiligungen mittelständischer Betriebe zu kompensieren. Die Realität zeigt: Die europäische Ausschreibungspflicht begünstigt finanzstarke Großunternehmen mit spezialisierten Vergabestellen, juristischen Stäben und internationalen Strukturen – während der regional verwurzelte Mittelstand systematisch ins Hintertreffen gerät. Ein Umsteuern ist überfällig. Der Freistaat Thüringen soll sich dafür einsetzen, dass die Bindung öffentlicher Aufträge an den europäischen Wettbewerb dort abgeschwächt wird, wo sie weder ökologisch noch administrativ sinnvoll ist. Regionale Anbieter dürfen nicht länger durch starre EU-Vorgaben ausgeschlossen werden. EU-Vorgaben dürfen nicht zu einem bürokratischen Ausschlussmechanismus führen, der die lokale Wertschöpfung untergräbt und das Vertrauen in faire Wettbewerbsbedingungen zerstört.