Das Thüringer Ladenöffnungsgesetz wird an die Erfordernisse einer modernen Nahversorgung sowie an die Realitäten und Bedürfnisse des stationären Einzelhandels angepasst. Technologischer Fortschritt, wirtschaftliche Entwicklung, überbordende Bürokratie, Fach- und Arbeitskräfteengpässe, veränderte Konsumgewohnheiten sowie die demografische Entwicklung machen eine Reform erforderlich. Die Ausweitung der allgemeinen Ladenöffnungszeit auf den gesamten Samstag ist eine sachgerechte und zeitgemäße Anpassung an die Lebens- und Arbeitsrealität der Bevölkerung. Der Samstag ist für viele Menschen ein zentraler Einkaufs- und Erledigungstag. Eine gesetzlich verkürzte Öffnungszeit an diesem Tag ist weder arbeitszeitrechtlich erforderlich noch verfassungsrechtlich geboten. Vielmehr führt sie zu Einschränkungen der betrieblichen Flexibilität, zu unnötigem Zeitdruck im Verkauf sowie zu einer Konzentration des Kundenaufkommens in engen Zeitfenstern. Mit der Gleichstellung des Samstags mit den übrigen Werktagen wird eine logische Lücke im Gesetz geschlossen, ohne dass damit in den verfassungsrechtlich geschützten Sonn- und Feiertagsschutz eingegriffen wird. Die Umstellung des § 10 von einer Genehmigungspflicht mit Anlassbindung auf eine Anzeigepflicht entlastet Händler und Behörden von Nachweispflichten beziehungsweise Prüfungsaufwand. Gleichzeitig bleiben Schranken wie der Ausschluss bestimmter stiller Feiertage und eine angemessene Begrenzung der Adventsöffnungen erhalten, um dem Sonn- und Feiertagsschutz weiterhin Geltung zu verschaffen. Mit der Abschaffung des in Deutschland einzigartigen Beschäftigungsverbots an zwei Samstagen im Monat (§ 12 Abs. 3 Satz 1 und 2) wird ein Wettbewerbsnachteil für Thüringer Einzelhändler beseitigt. Unternehmen und Beschäftigte erhalten damit mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitsmarkt infolge des zunehmenden Arbeitskräfteengpasses strukturell gewandelt hat: Er entwickelt sich zunehmend zu einem Arbeitnehmermarkt, in dem Arbeitgeber im Wettbewerb um qualifizierte Kräfte stehen. Wer dauerhaft Personal halten will, muss attraktive und anpassungsfähige Rahmenbedingungen bieten. Es ist deshalb vertretbar – und zunehmend geboten – zum Vorteil beider Seiten mehr Vertragsfreiheit zuzulassen. Die Pflicht zur Berücksichtigung sozialer und familiärer Bedürfnisse der Arbeitnehmer (vergleiche aktuelle Fassung des § 12 Abs. 3 Satz 3) bleibt bestehen, kann aber künftig flexibler und individueller gestaltet werden. Die Einführung einer klaren Regelung für vollautomatisierte Verkaufsstellen ohne Verkaufspersonal beseitigt die bestehende Rechtsunsicherheit für Betreiber von sogenannten 24/7-Dorfläden und ähnlichen Geschäftsmodellen sowie für die zuständigen Genehmigungsbehörden und Kommunen. Gleichzeitig ermöglicht sie eine ortsnahe Grundversorgung in Regionen, in denen klassische Läden wirtschaftlich nicht mehr tragfähig sind.
Auch der Tourismus, der in vielen strukturschwachen und dünnbesiedelten Regionen eine bedeutende Rolle für die regionale Wertschöpfung spielt, kann von automatisierten Verkaufsstellen profitieren. Sie tragen zur touristischen Attraktivität bei, indem sie Waren des Reisebedarfs, lokale Lebensmittel und regionale Spezialitäten auch außerhalb üblicher Öffnungszeiten zugänglich machen – insbesondere dort, wo das gastronomische Angebot eingeschränkt ist und eine Grundversorgung der Gäste mit Produkten zum sofortigen Verzehr fehlt. Da bei vollautomatisierten Verkaufsstellen kein Verkaufspersonal eingesetzt wird, besteht auch kein sachlicher Grund, deren Betrieb an Sonn- und Feiertagen generell zu untersagen, sofern sichergestellt ist, dass an Sonn- und Feiertagen auch kein anderes Personal, beispielsweise zur Befüllung oder Wartung, eingesetzt wird. Der arbeitszeitbezogene Schutzauftrag greift hier ebenso wenig wie der Schutz der Sonn- und Feiertage, da beide Schutzbereiche auf den Menschen abzielen, der hier eben nicht zum Einsatz kommt. Durch die bewusste Entscheidung gegen Verkaufsflächenbegrenzungen und Sortimentsbeschränkungen bei vollautomatisierten Verkaufsstellen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass diese neue Betriebsform strukturell anders funktioniert als der klassische stationäre Einzelhandel mit Verkaufspersonal. Es können dadurch neue Konkurrenzsituationen entstehen. Möglicherweise ist es aber ökonomisch effizienter, bestimmte Angebote ohne Personal bereitzustellen. Das Gesetz darf nicht willkürlich bestimmte Geschäftsmodelle vor anderen schützen. Dass durch die möglichst freie Zulassung neuer Betriebsformen wirtschaftliche Herausforderungen für herkömmliche Geschäftsmodelle entstehen können, ist kein verfassungsrechtlich tragfähiges Argument, um Innovationen zu verhindern. Der Markt muss diese Entwicklung regeln – nicht der Gesetzgeber durch vorauseilende Eingriffe. Es ist geboten, nicht erst dann zu erlauben, wenn alle Risiken ausgeschlossen sind. Freiheit braucht Gestaltungsspielraum – nicht administrative Voreingenommenheit.