Mobbing und Gewalt bilden ein signifikantes und wachsendes Problemfeld an unseren Schulen. Die betroffenen Schüler leiden oft an schwerwiegenden körperlichen und seelischen Folgen, die ihr Leben über die Schule hinaus prägen. Nicht wenige Opfer werden in den Suizid getrieben. Dass das Ausmaß schulischer Gewalt stetig ansteigt, ist seit Jahren bekannt. So wiesen unter anderem die PISA-Studie des Jahres 2022, eine Studie der Techniker Krankenkasse vom Februar 2024 sowie eine Studie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) vom September 2024 darauf hin, dass Lehrer immer mehr Fälle psychischer und physischer Gewalt verzeichnen. In Thüringen veröffentlichte der Thüringer Lehrerverband Anfang des Jahres 2025 eine Studie, in der 82 Prozent der befragten Lehrer angaben, im vergangenen Schuljahr Fälle von physischer oder psychischer Gewalt zur Kenntnis genommen zu haben. 70 Prozent sahen einen Anstieg dieser Fälle in den letzten fünf Jahren. Und knapp 50 Prozent gaben an, im selben Zeitraum sogar selbst Opfer von Gewalt gewesen zu sein. Im Vergleich zu den Werten einer gleichzeitig und bundesweit durchgeführten Studie des Verbands Bildung und Erziehung liegt Thüringen damit deutlich über den nationalen Durchschnittswerten. Bei alledem ist zu beachten, dass fast alle diese Erhebungen von Verbänden und Versicherungen in Auftrag gegeben wurden. Denn trotz der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Problemfelds verfügt der Freistaat Thüringen über keine belastbare Datenlage zum Thema Mobbing und Gewalt an den Thüringer Schulen. Es gibt lediglich eine Erfassung der „Besonderen Vorkommnisse“, die aber keinen statistischen Charakter hat, wie die Landesregierung in Drucksache 7/1854 bestätigt: „Die erhobenen Daten stellen keine empirische Untersuchung dar. Sie liefern keine signifikanten Ergebnisse, wie sie für eine Statistik erforderlich wären“. Denn in dieses Verzeichnis werden nur solche Fälle aufgenommen, die den Schulbetrieb als Ganzes erheblich beeinträchtigen und von den Schulleitungen an die Schulämter weitergeleitet werden. Dabei liegt der Großteil der Fälle von Mobbing und Gewalt weit unter dieser Schwelle. Die Dunkelziffer ist dementsprechend als sehr hoch anzunehmen. Intransparenz ist ein Grund dafür, dass der innere Schulfrieden in Thüringen nicht konsequent geschützt und durchgesetzt wird. Dort, wo Gewaltfälle dennoch gemeldet werden, werden zahlreiche Programme zur Intervention und Prävention anberaumt und meist von sogenannten Nichtregierungsorganisationen ausgerichtet. Darunter sind auch Organisationen, die ihre Position ausnutzen, um Schüler politisch und kulturell zu beeinflussen. Ohnehin ist die Wirkung der aktuellen Programme mehr als fragwürdig: 84 Prozent der Lehrer, die an der Studie der DGUV teilnahmen, berichten, dass Konzepte zur Gewaltprävention im Programm ihrer Schule verankert sind; den Anstieg psychischer und physischer Gewalt, den knapp die Hälfte eben dieser Lehrer berichtet, hat das offensichtlich aber nicht verhindert. Statt fragwürdige Projekte zu fördern, muss der Freistaat den Lehrern den Rücken stärken und ihnen die Mittel zur Hand geben, mit denen effektiv auf Gewalt reagiert werden kann. Ordnungsmaßnahmen müssen frühzeitig und nicht erst nach Ausschöpfung aller pädagogischen Maßnahmen angewandt werden. Schüler, die gewalttätig handeln, verwirken ihr Recht, an der regulären Schulgemeinschaft teilzuhaben. Gegenwärtig können Schüler jedoch erst dann temporär oder permanent von einer Schule ausgeschlossen werden, wenn der Schulbetrieb als Ganzes gestört wird. Diese Schwelle muss deutlich gesenkt werden. Führt der Verweis jedoch nicht zur Korrektur des Fehlverhaltens, wird das Problem nur verschoben, nicht gelöst. Echte Prävention im Sinne einer Reduktion von Risikofaktoren gewalttätigen Verhaltens bedeutet daher vor allem, dass Schüler, die durch gewalttätiges oder aggressives Verhalten auffallen, separat unterrichtet werden. Hierfür ist die Unterbringung in einer Förderschule mit Schwerpunkt auf Verhaltensauffälligkeiten und Aggressivität oder – wo dies nicht möglich ist – die Unterrichtung in einer separaten Klasse mit sonderpädagogischen Lehrkräften angebracht. In diesem Zusammenhang ist außerdem das Konfliktpotenzial, welches durch die gemeinsame Unterrichtung von Kindern mit und ohne einen Förderbedarf im Erwerb der deutschen Sprache geschürt wird, zu berücksichtigen.

Vorgangsnummer im Thüringer Landtag

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